02.-08.01.2025
Nach unserer Zeit in Kappadokien ist die Schwarzmeerküste der Türkei unser Ziel. In Trabzon wird meine Schwester zu uns stoßen und uns eine Weile begleiten.
Fragen wir in Kappadokien nach schönen Zielen am Schwarzen Meer, bekommen wir „da war ich noch nicht, aber da regnet es immer“ zur Antwort. Unser alter Reiseführer von 1980, den uns die Oma mitgegeben hat, schreibt: „Wo die Touristen selten sind“ und widmet der Gegend lediglich eine kurze Seite. In einer Beziehung sind sich aber Reiseführer und bisherige türkische Bekanntschaften einig: „Dort werdet ihr die größte Gastfreundschaft erleben!“
Nun also zu unseren wirklichen Erfahrungen am Schwarzen Meer:
Von Kappadokien sind wir karge, flache Steppenlandschaft gewohnt, immer mit Blick auf den Vulkan Erciyes Dağı, der diese eindrucksvolle Landschaft geschaffen hat. Doch schon bald ändert sich nun die Szenerie. Wir fahren in die Berge, es wird grün und wir denken an Österreich, oder auch an den Westerwald, grüne Wiesen und bekannte Nadelbäume säumen die kurvige Straße. Und es regnet. So wie alle gesagt haben, und so wie ich es aus dem Westerwald kenne.
Ganz der Westerwald ist es dann doch nicht, die Häuser sind anders, höhere Gebäude mit einem Trockenboden als oberstes Stockwerk, daneben oft ein kleineres Gebäude auf Stelzen. Es wachsen mehr und mehr Haselnussbäume. Das Schwarze Meer sehen wir nicht, bis wir fast hineinfahren. Ab dann zieht sich die Straße, eine richtige Autobahn, direkt am Meer entlang. Was wir zum Autofahren im Regen ganz schön finden, ist doch verwunderlich. Im Sommer wäre die Küste bei schönem Wetter zum Schwimmen sicher schöner ohne den Straßenlärm – kein Wunder, dass so die Touristen hier eher selten sind.
Da es regnet sind wir gar nicht so erpicht auf einen Strandspaziergang und legen stattdessen in Altınordu einen Stopp bei einem Baumarkt ein. Wir müssen den Wasserhahn unserer Dusche tauschen, der tropft schon lange. Da wir die Dusche als zweiten Schrank für Rucksäcke und Kameraequipment nutzen ist das ziemlich unpraktisch. Wenn jetzt auch noch meine Schwester ihr Gepäck irgendwo abstellen muss, der Wasserhahn endlich mal getauscht werden.
Wir parken im Wohngebiet hinter dem Baumarkt und Philip macht sich daran den Wasserhahn abzuschrauben. Die Kids erkunden den Spielplatz neben dem Parkplatz und dann ruft da eine freundliche Stimme aus dem Fenster des Hauses, vor dem wir stehen, in unser Wohnmobil herein. Was sie ruft, wissen wir nicht, aber wir lächeln und winken.
Bald darauf klopft die Frau aus dem Fenster, bewaffnet mit einem Tablett mit Suppe, an unsere Tür. Sie redet und redet, dass wir sie nicht verstehen, ist egal. Sie kommt herein, deckt unseren Tisch mit ihrem besten Porzellan und serviert uns leckere Graupensuppe. Inzwischen haben wir unseren Übersetzer ausgepackt und erfahren, dass die Suppe mit Zutaten aus ihrem eigenen Garten gemacht ist. Und schon springt sie wieder aus dem Wohnmobil, bittet um eine Tüte, wuselt durch ihren Garten und kommt bald darauf mit einer vollen Tüte frisch gepflückten Salat zurück. Nurdeger holt dann noch ihren Sohn Aziz, er soll Philip beim Wechseln des Wasserhahnes helfen. Während die beiden Männer im Baumarkt sind, möchte ich die Kids wieder auf den Spielplatz schicken. „Nein, es regnet, die Kinder werden krank! Ihr trinkt Kaffee bei mir!“ mit diesen Worten zieht Nurdeger mich in ihre hübsche Wohnung, brüht Kaffee und herzt mich, als würden wir uns schon seit Jahren kennen.
Philip und Aziz kommen vom Baumarkt zurück, leider erfolglos, das Ersatzteil gab es leider nicht. Nurdeger lädt uns ein, bei ihr zu übernachten, das ist uns dann doch zu viel und wir lehnen dankend ab. „Aber ihr könnt bei uns duschen!“ bietet sie stattdessen an. Sie weiß ja, dass unsere Dusche defekt ist, und offenbar sehen wir mal wieder so aus, als hätten wir eine Dusche nötig. Wir nehmen dankend an und verschwinden nacheinander in dem großzügigen Badezimmer. Als ich herauskomme, nimmt mich Nurdeger als nächstes mit in ihr Schlafzimmer, kramt in ihrem Kleiderschrank und stattet mich mit einer Hose und einem Oberteil aus „Viel besser!“ Auch Philip bekommt einen frischen Pullover, wenn sie Kinderkleidung gehabt hätte, hätte sie die beiden sicher auch neu ausgestattet, so begnügt sie sich damit, der Löwin eine schicke Frisur zu kämmen „Ich habe leider nur Söhne, so gerne hätte ich eine Tochter gehabt!“
Wir essen noch bei Familie Ekmekci zu Abend, lernen auch noch Nurdegers Mann Hadi kennen, der oftmals für mehrere Monate in München arbeitet. Natürlich laden wir die beiden zu uns nach München ein. Wenn er das nächste Mal in München ist, sollten wir zurück von unserer langen Reise sein. Ich freue mich schon auf das Wiedersehen!
Auf unserem weiteren Weg fällt es uns schon auf und Trabzon führt es uns noch einmal vor Augen; die türkischen Städte an der Schwarzmeerküste sind deutlich westlicher geprägt als alle Städte, die wir bisher in der Türkei gesehen haben. Es finden sich die üblichen Fastfoodketten und Kaufhäuser, die Läden und Straßen sehen aus wie in modernen europäischen Innenstädten.
Wir finden eine passende Kartusche für unseren tropfenden Wasserhahn, doch da zeigt sich schon das nächste feuchte Problem im Womo: Der Regen lässt tatsächlich nicht nach und es regnet an zwei Stellen ins Womo hinein. Das Bett des Pandas ist nass und vom Küchenfenster zieht sich ein kleiner Fluss über die Arbeitsplatte, der in einem landschaftlich hübschen Wasserfall auf unseren neuen Perserteppich mündet.
In Trabzon finden wir einen Campingladen, hier werden die beiden Fenster innerhalb weniger Minuten abgedichtet, und da wir noch nicht genug zum Basteln und Bauen am Womo haben, nimmt Philip noch eine neue Solarzelle mit, mehr Storm ist immer gut.
Dann können wir endlich meine Schwester Silja vom Flughafen in Trabzon abholen! Die Freude ist groß und wir sind gespannt, wie es sich zu fünft in unserem Lucas wohnt!
Vor lauter Regen verbringen wir den ersten Tag mit meiner Schwester im großen Einkaufszentrum Forum Trabzon. Darin gibt es nämlich einen guten großen Baumarkt. Ich kann mich schon nicht mehr erinnern, warum Philip schon wieder einen Baumarkt aufsuchen musste, aber gut. Die Kids brauchen neue Regenhosen, die haben sie bei Anil beide zerfetzt, ich bekomme eine neue Leggins und Silja bekommt einen Latte Macchiato, den gibt’s sonst nicht so oft in der Türkei.
Nach Trabzon geht es weiter die Küste entlang bis Rize. Rund um die Stadt wird Tee angebaut, um dem Tribut zu zollen, wurde in Rize ein großes Gebäude in Form eines Teeglases gebaut. In seinem Inneren besuchen wir eine kleine Kunstausstellung mit Fotografien lokaler Künstler und genießen den Ausblick auf das verregnete Schwarze Meer. Nach Rize kommt das Städtchen Fındıklı. Hier parken wir im Atatürk Park am Wasser und freuen uns über einen kleinen Skaterpark und einen Spielplatz, der perfekt zum „Der Boden ist Lava“ spielen ist. Und dann treffen wir Hediye und Behic. Die beiden sprechen uns an, da Behic erkannt hat, dass wir deutsch sprechen. „Gehört ihr zu dem Fiat Wohnmobil? Ich hatte auch mal so einen!“ und schon werden wir zum Teetrinken in ein kleines Café eingeladen.
Behic erzählt uns von seinem eigenen Café in der Nähe von Antalya, davon, dass er in Findikli aufgewachsen ist und noch immer regelmäßig sein Elternhaus für einen Urlaub aufsucht. Sein Café heißt Serender Restauran. Serender sind traditionelle Lagerhäuser. Jedes Haus dieser Gegend hat eines, es sind die Hüttchen auf Stelzen, die wir auf unserem Weg schon so oft gesehen haben. Sie werden aus robustem Kastanienholz gebaut und stehen auf Stelzen, damit keine Schlangen oder Mäuse an das eingelagerte Gemüse oder Getreide rankommen. Die Tradition der Serender kommt ursprünglich aus Russland.
„Meine Schwägerin wohnt in einem Traditionellen Haus ganz in der Nähe, sie hat ein wunderschönes Serender. Wollt ihr es anschauen?“ Na klar wollen wir!
In Behics Jeep machen wir uns auf den kurzen Weg ins Landesinnere. Entlang einem kleinen Fluss geht es bis zum Haus seiner Schwägerin. Sie ist nicht da, doch ihr Mann begrüßt uns, zeigt uns den Hof, das Serender und sein kleines Restaurant, das im Sommer floriert.
Behic fährt als nächstes zu einer alten steinernen Brücke, die wir unbedingt noch gesehen haben müssen. Dann geht es zurück zu Lucas. Telefonnummern werden getauscht, vielleicht meldet sich Behics Nichte, sie möchte gerne in Deutschland arbeiten.
Wir haben ein weiteres Ziel für den nächsten Urlaub in der Türkei, das wunderschöne Hotel Uzunhasanoğlu Konağı der Schwägerin möchten wir gerne im Sommer kennenlernen.
Anil hat uns als nächstes einen weiteren Abstecher ins Landesinnere vorgeschlagen. Auch Hediye und Behic können den Ort sehr empfehlen und biegen wir in Hopa ab nach Artvin.
Im Winter kann man hier abseits der großen Straße Probleme bekommen, doch die Hauptstraße ist neuerdings gut geteert, mit einigen Tunneln ausgestattet und damit auch im Winter ohne Vierradantrieb gut passierbar.
Wir wandern oberhalb des Flusses Çoruh, genießen den Blick über die grünen Berge und das türkise Wasser und fahren dann nach Artvin in die Stadt.
Sie schmiegt sich eng an den Berg und eng ist mit Womo Lucas nie eine gute Idee… Wir finden keinen Parkplatz, der groß genug für unser Schiff ist und begnügen uns mit einer kleinen Stadtrundfahrt, und was finden wir da: einen Baumarkt! Da kommen wir nicht vorbei, da finden wir auch einen Parkplatz, und wenn wir mitten auf der Straße stehen bleiben! Philip kauft Sekundenkleber und ist glücklich.
Eine weitere Nacht verbringen wir wieder am Meer, kurz vor der Grenze beim Çiftlik Restoran. An den Lärm der Autos auf der Autobahn, gemischt mit dem Rauschen des Schwarzen Meeres sind wir inzwischen gewöhnt. Von hier ist es nicht mehr weit bis zur georgischen Grenze und so verabschieden wir uns schon am nächsten Tag von der Türkei.
Regen und Gastfreundschaft, das können wir so bestätigen. Wenig Touristen, wie unser Reiseführer geschrieben hat, mag vor allem im Winter auch stimmen, doch im Sommer muss die Schwarzmeerküste vor allem für einheimische Touristen, wohl auch für Georgier, attraktiv sein. Am Meer gibt es mit jeder Menge Parks mit Picknickbereichen und Spielplätzen eine gute Infrastruktur vor allem für Familien. Im Landesinneren kann man in den traditionellen Häusern, umsorgt von den gastfreundlichsten Menschen der Türkei unterkommen und Wanderungen durch die Haselnuss- und Teefelder unternehmen. Die Städte sind auf Weltoffenheit ausgerichtet. Wir können also nur empfehlen: Besucht die türkische Schwarzmeerküste im Sommer, bestimmt regnet es dann auch nicht so viel!