26.04. – 12.05.2025
Nach unserer kurzen Fahrt durch Russland, geht es als nächstes durch Kasachstan.
Über Atyrau und Aqtöbe geht es am Aralsee vorbei nach Türkistan, anschließend durch Shymkent zur usbekischen Grenze.
Im usbekischen Taschkent haben wir eine Verabredung zu einem Kindergeburtstag am 04.05., wir haben also 7 Tage für 2500 km Zeit, müssen also ca. 350 Km pro Tag fahren. Nicht nur wegen dem Kindergeburtstag geben wir so Gas, nach der ungeplant langen Zeit in Georgien, möchten wir auch etwas Zeit herausholen, um eine China Durchquerung im Juni zu schaffen.
Als erstes möchten wir in Kasachstan endlich das Kaspische Meer sehen. Wir fahren über eine relativ harte Sandpiste bis zu einem Parkplatz. Laut Kartenapp stehen wir bereits im Wasser, doch sehen können wir davon nichts. Weit und breit nur Sanddünen und Kamele. Vielleicht noch ein bisschen weiterfahren? Und zack, haben sich die Vorderräder im Sand eingegraben. Na super.
Wir beginnen zu graben. Was lustig anfängt, ist nach dem dritten Versuch herauszukommen nicht mehr so lustig. Zu allem Übel bekomme ich auch noch Bauchschmerzen.
Wir versuchen alles, packen beinahe das gesamte Wohnmobil aus, um leichter zu sein, verwenden Tücher, Holz, eine Gewindestange und sogar die Leiter in den Alkoven als Sandbleche. Philip entnimmt den Urinkanister der Toilette, um den Sand zu befeuchten, wir lassen den Wassertank ab. Nichts hilft.
Und dann muss ich dringend aufs Klo. Dass der Kanister ausgebaut wurde, habe ich nicht mitbekommen. Na, ihr könnt es euch denken – Toiletten Eklat Teil 2!
Irgendwann haben wir Glück, ein Geländewagen mit kasachischen Soldaten kommt vorbei. Sie ziehen mit dem Allradfahrzeug und schieben von hinten und tatsächlich kommt Womo Lucas so aus dem Sand heraus. Allein hätten wir das wohl nie geschafft!
Der Stress hat auch Philip sehr zugesetzt, so liegen wir beide den Rest des Nachmittags völlig fertig im Wohnmobil, während die Kinder draußen spielen. Eine Plastiktüte, etwas Seil, zwei Gabeln und schon haben sie einen Lenkdrachen gebastelt!
Am nächsten Morgen machen wir uns noch einmal auf die Suche nach dem Kaspischen Meer, diesmal zu Fuß. Doch keine Chance, wir müssten wohl stundenlang laufen, um das Wasser zu finden.
Auf dem Weg nach Atyrau erleben wir das nächste Missgeschick: Wir haben vergessen das Küchenfenster zu schließen! Das fällt uns erst auf, als es von einer besonders heftigen Böe während der Fahrt davon gerissen wird.
Philip flickt es notdürftig mit dem Holz, dass noch Stunden zuvor als Sandbleche genutzt wurde.
In Atyrau müssen wir unsere Wasservorräte auffüllen und lassen bei einem kleinen Stadtspaziergang und einem Kaffee den Stress der letzten Tage von uns abfallen. So gestärkt geht es weiter bis Aqtöbe.
Durch ewig weite Steppenlandschaft, vorbei an Ölpumpen, Kamelen und Pferdeherden, kleinen Ortschaften, über relativ gute Straßen spulen wir die Kilometer ab.
Wir sehen Schaaf-, Rinder- und Ziegenherden, ewig lange Güterzüge und quirlige kleine Ziesel. Die Landschaft ist eintönig und doch spektakulär. Man kann gefühlt unendlich weit sehen. Es ist langweilig und doch wieder nicht.
In der Nacht: Stille, Sterne, Zikaden.
In Aqtöbe machen wir das Einkaufszentrum unsicher, es stehen schließlich nicht nur einer, sondern gleich zwei Kindergeburtstage in Taschkent an! Zuerst unsere kleine Schweizer Freundin aus dem Wohnwagen, die schon zum Geburtstag der Löwin auf Kurko Woods zugegen war und einen Tag später wird unser Panda 10.
Also weiter geht’s! Am unspektakulären Aralsee vorbei (auch diesen bekommen wir nicht zu Gesicht, da er so weit ausgetrocknet wurde!) nach Baikonur. Hier befindet sich das russische Kosmodrom. So richtig besuchen kann man es nicht (es sei denn man beantragt Monate im Voraus ein spezielles Visum für sehr viel Geld), doch am Eingang gibt es eine kleine Raketenausstellung, die doch einen Foto Stopp wert ist!
Weiter, immer weiter brettern wir durch Kasachstan, bis wir Türkistan erreichen und uns dort in einer Oase wiederfinden! Es ist heiß, aber vor allem ist es bunt! Grüne Bäume, Rote Rosen, Blau gekachelte Prunkgebäude! Timur hat hier gebaut, er hat hier einen Baustiel erprobt, den er später in seiner Hauptstadt Samarkand angewendet hat.
Und schon sind wir wieder auf der Straße, vorbei an Shymkent bis zur usbekischen Grenze.
Diese erreichen wir am Abend. Wir hoffen, dass zu späterer Stunde nicht mehr so viel los ist – doch wir haben uns schwer getäuscht! Es gibt bereits einen ordentlichen Stau vor der Grenze und wir stecken sofort mittendrin! Die Grenzgebäude können wir aber schon sehen, wir hoffen also, dass es nicht all zu lang dauern wird. Wieder Fehlanzeige! Wir stehen 5 Stunden in dem Stau. Die Kinder und ich sind einfach mal zu Bett gegangen, Philip döst auf dem Fahrersitz. Es tut sich so gut wie nichts.
Dann werden wir geweckt, es geht los! Gegen 23 Uhr stehen wir an der Passkontrolle, die Kids und ich sollen aussteigen und den Passagierweg nehmen. Mal wieder fälschlicherweise gehe ich davon aus, dass wir nach der Passkontrolle wieder ins Auto steigen können. Jeder zieht schnell einen Pulli über den Schlafanzug, ich schnappe mir die Pässe und schon laufen wir über die Grenze.
Wir kommen nicht zurück zum Auto. Nach dem kasachischen Passcheck müssen wir direkt weiter zur usbekischen Kontrolle laufen. Unkompliziert bekommen wir alle Stempel und stehen dann in Usbekistan. Na Philip wird ja wohl hoffentlich bald auch kommen?!
Er kommt nicht.
Er kommt nicht um 0 Uhr und er kommt auch nicht um 2 Uhr, auch um 5 Uhr, als es beginnt zu dämmern, ist er noch nicht in Sicht!
Schnell beginnen wir zu frieren, die Kinder zittern und ich zwinge sie, Runde, um Runde vor der Grenze auf und abzulaufen, um sie warm zu halten. Bald haben sie Hunger und Durst, ich habe noch nicht mal Geld bei mir.
Reisebus nach Reisebus überquert die Grenze, die Menschen um uns herum, kommen und gehen, nur wir bleiben und Philip kommt noch immer nicht.
Als wir nicht mehr laufen können, positionieren wir uns am Grenzzaun und halten mühsam unsere Augen auf. Kein Lucas, kein Philip in Sicht.
Ein junger Mann hat Mitleid mit den Kindern und gibt ihnen seinen Mantel. Das hilft sehr! Ich zittere noch immer. Ein weiterer Mann hat Mitleid mit mir und gibt mir seine Jacke, ich war selten so dankbar!
Der Mann heißt Jura, er bleibt bei uns stehen und wir kommen ins Gespräch. Die Sonne geht auf, es wird schnell wärmer, wir geben die Jacken zurück. Jura kauft den Kindern süßen Tee und lädt uns nach Buchara ein, sollte Philip es jemals über die Grenze schaffen.
Endlich sehen wir das Wohnmobil an der Grenze stehen, die Freude ist riesig! Doch wir freuen uns zu früh, es dauert noch weitere zwei Stunden, bis Philip um 8 Uhr endlich das Tor geöffnet wird. Jura ist zu der Zeit längst weitergefahren.
Das war die schlimmste Grenze, ich glaube auch die schlimmste Nacht, die ich je erlebt habe!
Wir schlafen zwei Stunden auf dem Parkplatz an der Grenze, während Philip Autoversicherung und SIM-Karte besorgt. Er konnte während der Wartezeit immer wieder im Wohnmobil schlummern.
Dann geht es weiter, es ist bereits der 4. Mai und wir wollen doch am Nachmittag gemeinsam Geburtstag feiern!
Die letzten Kilometer werden ein Kampf. Es ist heiß, besonders die Löwin will auf garkeinen Fall auch nur einen Meter weiterfahren. Wir stoppen wieder und besorgen Somsas, usbekische gefüllte Teigtaschen. Die Löwin weigert sich zu essen, sie weigert sich zu trinken und sie weigert sich wieder ins Auto zu steigen. Es ist einfach alles zu viel.
Wir bekommen sie irgendwie doch wieder ins Wohnmobil, schaffen es ihr schließlich ein paar Erdbeeren einzuflößen und fahren so die letzten zwei Stunden bis zu unseren Freunden an einen wunderschönen Stellplatz an einem Fluss.
Die Wiedersehensfreude ist groß!
Kasia und Mikkel, die Schweizer mit dem Wohnwagen und die Feuerwehr, die wir schon bei Kutaisi kurz getroffen haben, sind da!
Wir bauen ein richtiges kleines Camp auf, fahren sogar die Markise aus. Es gibt Erdbeertorte und Obst, Saft und Kekse, eine Abkühlung im Fluss und unbegrenzte Zeit zum Spielen! Die Strapazen haben sich gelohnt!
Alle haben aufregende Geschichten von ihrem Weg bis hier her zu erzählen, wir sitzen lange zusammen und genießen den Austausch.
Dann kommt der große Tag für den Panda! Eine zweistellige Zahl schon!
Dazu zwei Kuchen und so viele Geschenke! Schwimmen im See und Nudelsalat zum Abendessen. Was will man mehr?
Als nächstes fährt die Reisegruppe gemeinsam zu einem See, hier gibt es hoffentlich etwas mehr Schatten als an unserem letzten Platz, denn es wird immer heißer!
Die Campingplatzstimmung geht weiter, ein neues Camp wird aufgebaut, Hängematten, Slackline und ein Schlauchboot werden ausgepackt. Die Kinder spielen mit den beiden Hunden der Feuerwehr im See, Pandas neue Malsachen werden ausprobiert, es ist einfach idyllisch.
Eine Gruppe einheimischer Männer kommt vorbei, sie möchten uns zum Essen einladen. Wir erklären, dass wir das Camp nicht so einfach verlassen können und wollen, daraufhin bestehen sie darauf uns Essen zu bringen.
Mit einem kleinen Lieferwagen bringen sie zwei große Portionen des Nationalgerichts Plov. Reis mit Karotten und Hammel. Unsere Reisegruppe ist inzwischen ziemlich groß, ein weiteres Reisemobil aus den Niederlanden hat sich zu uns gesellt. Die einen haben bereits selbst gekocht, die anderen möchten kein Fleisch essen, jemand hat eine Allergie. Die Männer schauen etwas beleidigt, dass nicht alle mitessen. Mit Übersetzer, Händen und Füßen versuchen wir die Situation zu erklären, wer mit isst freut sich sehr über den Plov, es ist lecker und wir unterhalten uns gut.
Wir möchten auch etwas beisteuern und so wird Bier und eine angefangene Flasche Wodka aus den Fahrzeugen geholt. Die Männer trinken munter mit, probieren vom Essen der anderen und die Stimmung scheint gut zu sein – bis sie kippt.
Einer der Männer möchte, dass wir nun alle mit ihm nach Hause kommen.
Es ist inzwischen spät geworden, wir sind bereits dabei die Kinder zu Bett zu bringen. Jetzt das Camp abzubrechen und die Autos abfahrbereit zu machen, kommt nicht in Frage. Philip versucht zu erklären, doch plötzlich ist der Anführer der Gruppe sauer und verlangt 200$ für das mitgebrachte Essen!
Wir sind geschockt, das ist viel zu viel! Generell geht es uns nicht darum, dass wir nicht zahlen möchten, doch die Art und Weise ist mehr als unangenehm. In der Reisegruppe wird Geld zusammengelegt und wir geben den Männern 30$ für das Essen. Das sollte bei den hiesigen Preisen locker reichen!
Den Freunden des Mannes scheint die Situation unangenehm zu sein, ein Streit brandet unter ihnen auf und einer entfernt sich zu Fuß. Offenbar sind die anderen nicht damit einverstanden, das Geld anzunehmen. Bier und Wodka waren offenbar keine so gute Idee. Dann steigen sie alle in ihren Lieferwagen und fahren ab.
Mit ungutem Gefühl gehen wir zu Bett und fragen uns, ob sie zurückkommen werden
Sie kommen nicht zurück, wir verbringen eine ruhige Nacht. Stattdessen bekommt Philip eine SMS mit einer Entschuldigung des Mannes, er war wohl etwas betrunken, sagt er.
Dennoch wollen wir nicht länger hierbleiben und machen uns gemeinsam auf nach Samarkand, um diese Stadt aus 1001 Nacht zu besichtigen.
In Samarkand finden wir einen Parkplatz, von dem aus wir in die Stadt laufen können. Wir sehen den berühmten Platz Registan mit den drei Madrasas (ehemals muslimische Schulen), laufen die Prachtallee bis zum großen Siyob Bazar entlang und besuchen die prächtigen Mausoleen des Schahi-Sinda-Ensembles.
Samarkand ist beeindruckend, doch es ist unglaublich heiß, und bevölkert von Touristen. Es wird uns bald zu viel und wir flüchten ins bergigere und damit kühlere Tadschikistan.
Usbekistan verlassen wir mit gemischten Gefühlen. Die Städte sind sehenswert, doch haben wir hier die schlechtesten Straßen der bisherigen Reise erlebt und die missglückte Gastfreundschaft hat mich sehr geschockt. Seitdem versuche ich jeder Begegnung mit Einheimischen aus dem Weg zu gehen. Klingt irgendwie doof und voreilig? Ja, aber so eine Situation möchte ich auf keinen Fall wieder erleben.
Auf Kasachsatan hingegen freue ich mich schon wieder. Hier her kommen wir noch einmal, bevor wir durch China reisen. Land und Leute waren wunderbar unkompliziert. Die Straßen breit genug und gut, wir haben immer sehr einfach einen Schlafplatz gefunden, die Menschen waren freundlich, aber unaufdringlich.
Jetzt erwarten uns erst mal Berge, Seen und eine ganz andere Landschaft in Tadschikistan. Wir freuen uns vor allem auf einsame Natur und kühlere Temperaturen