August und September 2024
Dieses Jahr gingen unsere Ideen zu den Sommerferien in alle Richtungen, eigentlich wollten wir 4 Wochen nach Neuseeland fliegen, war dann aber doch zu teuer. Dann wollten wir eine Fahrradtour in die Berge machen, war dann aber doch das Wetter zu unsicher, und dann wollte ich einfach zu Hause bleiben.
Den Gedanken konnte ich auf einmal gar nicht mehr ertragen, ein Urlaub musste her, und zwar schnell, spontan und möglichst günstig. Also google ich „billigste Reiseziele“ und stoße auf diesen Beitrag auf Pinterest. Marokko wird hier genannt. Warum eigentlich nicht? Ich denke an Sonnenuntergänge über Sanddünen mit den Schatten von Kamelen. An die Weltreise haben wir bei der Planung noch gar nicht gedacht.
Ich möchte gerne Marrakesch sehen, habe viel Gutes, aber auch viel Schlechtes gehört. Da muss man sich selbst ein Bild machen! Wüste muss auf jeden Fall sein! Meine Schwester war in Marokko Surfen und hat davon geschwärmt, damit steht das Wunschziel der Kinder fest. Philip freut sich auf das berühmte gute Essen in Marokko und möchte gerne einen Kochkurs machen. So ergibt sich sich unsere Reiseroute. Wir planen ein wenig hin und her. Wir reisen eher Off-Season für Marokko, im August ist es den meisten Touristen zu warm. Das Wüstencamp und der Kochkurs haben geschlossen. Das Surf Camp geht auch im August, an der Küste sind die Temperaturen eher mediterran.
So steht die Reiseroute doch bald fest: es geht von Marrakesch nach Essaouira, von dort weiter in die Wüste und dann über das Atlas Gebirge zurück nach Marrakesch.
Wir verbringen eine Nacht in Marrakesch im Riad L’Aéroport. Hier kommen wir leider nicht mit unserem Mietwagen hin, da wir den Mitarbeiter der Firma am Flughafen nicht finden können. Wir nehmen ein überteuertes Taxi und stellen am nächsten Tag fest, dass man ganz gut hätte laufen können. Na gut, Willkommen in Marokko, so muss das wohl sein. Am nächsten Tag klappt die Mietwagen Übernahme, aber das Auto hat nur einen Frontscheinwerfer. Wir fahren in die Zentrale der Mietwagenfirma und bekommen ein neues Auto, da wohl mehr kaputt ist als nur die Glühbirne.
Dann endlich kann es losgehen, auf in Richtung Essaouira! Etwas südlich der großen Stadt liegt Sidi Kaouki, hier ist das Surf Camp, in welchem wir 3 Tage Surfkurs gebucht haben.
Schon der Strand sieht exotisch aus, es liegen Kamele herum, junge Männer galoppieren auf Pferden vorbei dazwischen wuseln wilde Esel.
Im Holy Surf – Surf Camp Essaouira von Pauline & Houssam verbringen wir eine wunderschöne Zeit! Pauline erzählt uns bei köstlichem Abendessen alles über die Entstehung des Camps und versorgt uns mit weiteren Reisetipps, Houssam bringt uns mit einer wahnsinnigen Ruhe und Gelassenheit innerhalb kürzester Zeit das Surfen bei.
Wir hätten es nicht gedacht, aber wir schaffen es innerhalb der drei Tage jeder eine Welle stehend zu reiten!
Einen Nachmittag machen wir dann doch Surf-Pause und fahren nach Essaouira. Die Medina ist wunderschön, die vielen kleinen Geschäfte, der Trubel am Hafen, die alten Gemäuer…
Wir wollen kaum weiterziehen nach dieser schönen Zeit, doch es geht weiter in Richtung Wüste!
Als Zwischenstopp empfiehlt uns Pauline Imsouane, ein kleines Fischerörtchen auf dem Weg nach Agadir. Wir verpassen eine Abbiegung, biegen irgendwo anders ab, fahren auf einmal über eine Sandpiste, die gar nicht aufhören will. Sollten wir umkehren? Nein, Philip will jetzt wissen, wo diese „Straße“ hinführt.
Sie führt in eine kleine Ansammlung von Häusern, Tildi, wie wir später erfahren.
Es gibt einen Parkplatz im Sand, Philip lenkt unseren Mietwagen schwungvoll hinein, schon winken uns einige Marokkaner wild zu – und wir stecken fest im Sand.
Ok. Auch das gehört wohl zu einem Urlaub in Marokko dazu. Uns ist das ganze etwas peinlich, die Marokkaner nehmen es gelassen und kommen gleich mit Schaufeln und Brettern bewaffnet auf uns zu, um unseren Mietwagen auszugraben.
Innerhalb kürzester Zeit haben sie ihn zurück auf den festeren Sand des Parkplatzes befördert.
Wir bedanken uns und schlendern zum Strand, ein paar Minuten Pause, dann soll es weiter gehen nach Agadir.
Aus den „paar Minuten“ werden mehrere Stunden!
Am Strand treffen wir Mohamed Sabri. Er kommt auf uns zu, fragt uns, ob wir aus Deutschland kommen. Er spricht einige Brocken Deutsch, da er vor ca. 20 Jahren einen Deutschen Schiffbrüchigen hier in der Bucht von Tildi gerettet hat. Ob wir die Geschichte hören wollen? Auf jeden Fall!
Mohameds Frau bringt Tee und Knabbereien an den Strand, seine Söhne schnappen sich unsere Kinder, gehen zuerst mit ihnen Bodyboarden im Meer, ziehen dann mit ihnen durch den Ort. Ja, ein wenig Sorgen machen wir uns, aber es sind nette Jungs, wird schon passen.
Der Schiffbrüchige aus Deutschland heißt Slava Birjukov. Nach 9 Tagen schiffbrüchig auf See wurde sein Segelboot in die Bucht von Tildi getrieben. Mohamed hat ihn gefunden und mit ihm gemeinsam den Behörden Dschungel bezwungen, um eine Rückreise nach Deutschland zu organisieren. Leider ist der Kontakt zu Slava abgebrochen, Mohamed würde ihn gerne wieder treffen und bittet uns um Hilfe Slava zu finden.
Doch zuerst werden wir zum Essen eingeladen! Es gibt eine leckere Tangine im Ferienhaus der Familie Sabri. Wir werden empfangen wie alte Freunde, unterhalten uns prächtig über alles – Fußball, Politik, Glaube, Familie.
Nach dem Essen führt uns Mohamed durch seinen Geburtsort Tildi, zeigt uns die alte Moschee, die ältesten Gebäude des Ortes, die neu gebauten Hotels, die noch auf die geplante Straße nach Tildi und damit auf die Touristen warten. Es gibt zwei wunderschöne Strände in Tildi und der Ort hat sich schon bereit gemacht, für die Touristen, die sicherlich bald kommen, man freut sich schon darauf.
Schweren Herzens verabschieden wir uns von Mohamed und seinem Tildi, wir wollten nicht in der Dunkelheit Autofahren, inzwischen dämmert es schon und wir haben noch 2,5 Stunden Fahrt bis zum Riad Freija hinter Agadir vor uns.
Das Riad Freija ist ein alter Palast! Wir sind die einzigen Gäste und haben den Palast ganz für uns. Trotz der Pracht des Gebäudes müssen wir am nächsten Tag weiter. Wir haben eine Verabredung mit der Wüste!
Wir fahren bis Tagounite, hier werden wir von einem passenderen Fahrzeug als unserem Mietwagen abgeholt und machen uns auf die 2,5 stündige Fahrt in die Wüste.
Es sind ca. 60 km in das Wüstencamp, doch es gibt schon bald keine ersichtlichen Straßen mehr, es geht über Geröll und Sand. Wir halten oft an, unser Fahrer prüft jeden Brunnen, an dem wir vorbeikommen, ob alles in Ordnung ist. Er sagt, das macht jeder, die Brunnen sind wichtig, alle sind von ihnen abhängig, jeder fühlt sich verantwortlich. An einem der Brunnen relaxt eine Herde Kamele, am anderen eine Herde Ziegen mit Eseln. Langweilig ist die Fahrt nicht.
Am zweiten Brunnen möchte Salina ein Tuch als Sonnenschutz auspacken. Sie sucht unseren roten Rucksack. „Frag Papa, er hat ihn eingepackt“ sage ich ihr. „Papa hat mich zu Dir geschickt, er sagt, Du hast den Rucksack eingepackt.“ Ups.
Der ist wohl im Mietwagen geblieben. Was war drin? All unsere Kleidung.
An welchen Rucksack haben wir ALLE gedacht? Den mit der Kamera drin – Prioritäten sind in dieser Hinsicht in der gesamten Familie wohl klar.
Uns stehen also drei Tage in genau den Klamotten bevor, die wir aktuell durchschwitzen.
Nur gut, dass wir auch im Wüstencamp die einzigen Gäste sind, so stört das niemanden. Dachten wir, wir hätten sparsam gepackt? Wir lernen, es geht auch gut mit noch weniger! Unterwäsche wird am Abend kurz per Hand durchgewaschen, 2 Minuten in den heißen Wüstenwind gehalten – schon wieder trocken.
Das Wüstencamp besteht aus einem Kreis aus Zelten rund um ein festes Gebäude herum, hinter einer höheren Düne und somit außer Sichtweite, liegt der Luxusbereich des Camps. Hier gibt es ein Gemeinschaftszelt, umringt von Lehmhütten. Wir haben eigentlich ein Zelt gebucht, da wir aber die einzigen Gäste sind, bekommen wir eine Luxushütte mit samt Badezimmer und Dusche! Viel zu krass in der Wüste, finde ich. Das Wasser wird aus dem Brunnen in einen großen Kanister gefüllt, der Kanister oben auf eine Düne gestellt, von dort oben führen die Leitungen in die Hütten. Das Wasser kommt mit ca. 40 Grad aus der Leitung, so heiß ist einfach alles, die Luft, der Sand, die Hütten, das Auto. Die Marokkaner versichern uns, dass es überhaupt nicht heiß ist, wir haben Glück, letzte Woche waren es wohl eher 50 Grad. Während Philip und mich die Wärme sehr müde macht, gehen die Kinder Sandboarden und toben durch die Dünen, soooo ein großer Sandkasten! Doch ein bisschen enttäuscht sind sie, der Sand klebt nicht und man kann keine Burgen bauen.
Im Atta Dessert Camp genießen wir das leckerste Essen der Reise, nur das mit dem vegetarisch ist wohl in irgendeiner Übersetzung verloren gegangen. Wenn das „Poulet au Citron“ (Hühnchen mit Zitrone) nun schon mal in seiner Tangine auf dem Tisch steht, werden wir es nicht verkommen lassen.
Wir unternehmen eine Fahrt mit dem Jeep durch die Wüste, besuchen eine Wüstenschule und eine Familie, deren Kinder diese Wüstenschule besuchen. Die Sprachbariere ist schade, wir hätten so viele Fragen und sie vielleicht auch? Aber trotz Übersetzer läuft ein Gespräch nicht so richtig an. Vielleicht sind wir alle etwas zu scheu.
Die Kinder reflektieren später über den Besuch bei der Familie, es gab keinerlei sichtbares Spielzeug in ihrem Haus, womit spielen die Kinder? Was machen sie den ganzen Tag? Sie helfen mit den Tieren. Das Haus war extrem aufgeräumt, es ist leichter aufzuräumen, wenn man nur wenig hat! Es wird im gleichen Raum geschlafen, gegessen, gelernt und Gäste empfangen, da muss sicher immer wieder Ordnung gemacht werden, auch hier helfen die Kinder. Zurück im Camp sind Philip und ich schon wieder total müde. Während wir ein Mittagsschläfchen halten, spielen die Kinder. Und womit? Mit ihren Händen, mit dem Sand, den Teppichen am Boden, ihren Sonnenhüten… Spielzeug vermissen sie keinen Moment lang und lassen uns so fast 2 Stunden ruhen!
Am nächsten Tag verlassen wir die Wüste wieder. Zurück in der Zivilisation freuen wir uns dann doch sehr auf eine Dusche und feiern unsere frischen Klamotten!
Wir beiden Erwachsenen sind leider etwas angeschlagen und freuen uns auch über unser Medizintäschchen mit Ibuprofen und Hustensaft im Auto. Die nächsten Tage verbringen wir daher eher ruhig und langsam. Vom wunderschönen Bivouac lot of Stars brechen wir auf nach Marrakesch, mit Zwischenstopp in Aït-Ben-Haddou. Drehort von Game of Thrones. In Marrakesch dürfen die Kids im Pool des Riad Sassa Finda planschen und wir sind wieder froh über ein Mittagsschläfchen.
Wir haben einen Kochkurs in Marrakesch gebucht und möchten lernen, wie man selbst eine Tangine kochen kann. Die Oma hat nämlich eine Zuhause, wenn wir zurückkommen möchten die Kinder für sie eine Tangine kochen.
Wir machen den Kochkurs im Amal Center, so verbringen wir einen tollen Vormittag und unterstützen gleichzeitig die Ausbildung marokkanischer Frauen mit schwierigem Hintergrund zu Köchinnen. Ich glaube das Amal Center leistet hier gute Arbeit.
Am Abend zieht ein Sandsturm durch Marrakesch, so verpassen wir leider die schönen Gärten Jardin Majorelle und Jardin Secret, die wir gerne besichtigt hätten.
Zuletzt schlendern wir durch die Straßen der Medina, besuchen das Henna Art Cafe und den Bahia Palace, lassen einfach die Atmosphäre der Stadt auf uns wirken, bevor wir am nächsten Tag wieder zurück ins durchorganisierte Deutschland fliegen.
Wir haben vor der Reise tatsächlich viel Schlechtes über Marokko gelesen. Jeder sagt, das Land ist toll und sehenswert, aber viele Reiseberichte schreiben man muss Angst haben, beklaut zu werden, wird übers Ohr gehauen oder ausgenommen. Ein Kollege erzählte mir sogar von einem Peitschenhieb, den er als Kameramann abbekommen hat. Straßen sind schlecht und Autofahren gefährlich. Ich glaube, die Reiseberichte, die ich da erwischt habe waren veraltet. Marokko zeigte sich uns als relativ gut organisiert und sehr freundlich zu seinen Touristen. Wir fühlten uns jederzeit sicher, selbst in Marrakesch und bei Nacht war Autofahren sehr gut machbar. Ok, Marrakeschs Medina ist nicht zum Autofahren gemacht, aber das sieht eigentlich in der Münchner Innenstadt nicht anders aus, man stelle sich einfach statt der Kamikaze-Fahrradfahrer ein paar Eselskarren und Motorroller vor. Wir empfehlen Marokko gerne weiter, die Menschen sind sehr offen und die meisten freuen sich, ihre Deutschkenntnisse auszuprobieren. Die meisten Marokkaner sind unglaublich sprachbegabt und sprechen oftmals viele Sprachen. Man kommt schnell ins Gespräch, wir fühlten uns nicht ausgenommen und haben generell nur wenig gehandelt, da die meisten Dinge fix bepreist waren.
Selbst, oder gerade im Sommer, kann ich euch Marokko sehr ans Herz legen. Die Menschen freuen sich über die Touristen, die ihr Land kennen lernen wollen und zeigen sich von ihrer besten Seite. Wir fanden die Hitze erträglich und die Warteschlangen vor Sehenswürdigkeiten waren angenehm nicht-vorhanden.